Die schöne Imperia
Textauszug
1. BILD - Straße
SONG 1: KONSTANZ 1416
Während der instrumentalen Intro füllt sich die Straße mit den drei Hübschlerinnen und Passanten. Ein Spot verfolgt Philippus, der irritiert beobachtet, wie die Hübschlerinnen um die Passanten, unter ihnen auch geistliche Würdenträger, werben.
Ensemble:
Constantia, Constantia, Constantia... anno domini mille quadringenti sedicim Constantia, Constantia, Constantia...
Weiter auf Musik.
Teufel:
Als der Erzbischof von Bordeaux 1416 zum Konzil gen Konstanz zog, hatte er in seinem Gefolge einen jungen und hübschen Priester aus der Touraine. Der Erzbischof von Tours hatte ihn bei seiner Durchreise durch die Stadt seinem Amtsbruder als Dedikation überlassen. Derartige Geschenke machen sich die Erzbischöfe untereinander, um zur Befriedigung ihres brennenden Dranges nach Gottgelehrtheit ein wenig beizutragen. So kam also das junge Pfäfflein zum Konzil und wurde im Hause seines Prälaten einlogiert, der ein Mann war von guten Sitten und gar gewaltigem Wissen.
Philippus von Mala, so hieß der Priester, war willens, sich brav zu halten und seinem Gönner getreulich zu dienen.
Er sah indessen auf diesem Konzil hochheiliger Gottesgelehrtheit eine Menge Leute, die ein liederliches Leben führten und trotzdem mehr Ablässe, Goldgulden und fette Pfründe erwischten als die andern, die fromm und tugendsam dahinlebten.
SONG 2: UNS HILFT NUR DER VERFALL DER SITTEN
Hübschlerinnen:
Warten in den Gassen dieser fremden Stadt, die erfüllt ist von Gebeten, Palavern und Moneten Warten in den Gassen dieser fremden Stadt, die die Herren aller Länder bei sich aufgenommen hat Warten in den Gassen auf den nächsten Mann, der erschöpft ist von Beschlüssen, von allerheiligsten Ergüssen Warten in den Gassen auf den nächsten Mann, den ich mit meinen Diensten wieder munter machen kann Um dem Elend zu entrinnen kam ich in die fremde Stadt Ein neues Leben zu beginnen wo Zukunft lange Beine hat Keuschheit lindert keine Not Sie bringt uns weder Lohn noch Brot Uns hilft kein Beten und kein Bitten Uns hilft nur der Verfall der Sitten Warten in den Gassen dieser fremden Stadt, voll von Popen, Patriarchen, Kardinälen, Oligarchen Warten in den Gassen dieser fremden Stadt, die das Hübschlerinnenheer in sich aufgesogen hat Warten in den Gassen auf den nächsten Mann, der sonntags lobpreist die Moral und Ablass gegen Höllenqual Warten in den Gassen auf den nächsten Mann, der seine leiblichen Gelüste Gott sei Dank nicht zügeln kann Um dem Elend zu entrinnen kam ich in die fremde Stadt Ein neues Leben zu beginnen wo Zukunft lange Beine hat Keuschheit lindert keine Not Sie bringt uns weder Lohn noch Brot Uns hilft kein Beten und kein Bitten Uns hilft nur der Verfall der Sitten
8. BILD - Wirtshaus
Philippus sitzt im Wirtshaus, neben ihm der Teufel.
Philippus:
Wer mag nur diese streng bewachte Dame sein, die mir mein Herz herausgerissen hat?
1. Hübschl.:
Ach holder Knabe, für drei Golddukaten würde ich dein Herz zurück in deinen hübschen Brustkorb pflanzen.
2. Hübschl.:
Ich tu´s für zwei. Und im pflanzen bin ich eine Meisterin.
3. Hübschl.:
Du wirst es kaum erraten, aber ich vermag´s für einen Dukaten.
Teufel:
Es spricht doch nichts dagegen, sich bis zum Abend die Zeit mit diesen Schwestern zu versüßen?
Philippus:
Die eine, sonst keine!
Wirt:
(brüllt) Roten oder Weißen?
Philippus:
Edler Herr...
Teufel:
Das ist der Wirt des Etablissements, kein edler Herr.
Philippus:
Das Tor verziert mit Tierköpfen, gleich um die nächste Ecke. Welche Dame nennt dies prächtige Haus ihr Eigen?
Wirt:
Wo kommt denn die Rotznase her, dass er noch nichts von der schönen Imperia gehört hat?
1. Knecht:
Imperia ist der ganzen Welt bekannt!
2. Knecht:
Imperia ist die hoffärtigste und launenhafteste Kokotte!
3. Knecht:
Sie gilt als die Schönste!
Wirt:
Keine versteht es wie sie, die Kardinäle ebenso wie die Landsknechte und Leuteschinder zu betören und einzuwickeln.
1. Knecht:
Tapfere Hauptleute, Bogenschützen und Herren prügeln sich darum, ihr zu Diensten zu sein.
1. Hübschl.:
Es kostete sie nur ein kleines Wort, jemanden, der ihr Ärger bereitet, verschwinden zu lassen.
2. Hübschl.:
Ein Wink ihrer schönen Augen genügt, um ein männermordendes Blutvergießen anzurichten.
3. Knecht:
Sogar der Herr von Baudicourt, ein Kapitän des Königs von Frankreich, fragt sie regelmäßig, wen er denn heute für sie töten dürfte.
3. Hübschl.:
Und glaub mir, den Kuttenträgern, die bei dieser Frage zugegen sind, wird nicht wenig warm.
1. Hübschl.:
Sie lässt alles Männervolk nach ihrer Pfeife tanzen, abgesehen von den Würdenträgern der höchsten Geistlichkeit, denen zuliebe sie ein wenig ihre Launen zügelt. Aber nur ein wenig.
2. Hübschl.:
Und trotzdem hängen selbst Trunkenbolde und Frömmlinge an ihr wie eine Klette.
2. Knecht:
Keiner wagt, ein schiefes Wort gegen sie zu sagen.
1. Knecht:
Man respektiert sie wie die wirklichen Damen.
3. Knecht:
Der traut sich was, der sich unterfängt, sie nicht mit „Madame“ anzureden.
Wirt:
Eine prüde Dame beklagte sich darüber und der gute König Sigismund antwortete ihr: „So wie die Dame Imperia die süßen Freuden der Liebe pflegt, so sollten die achtbaren Damen die braven Gewohnheiten der Tugend bewahren.“
Teufel:
Ehrliche Christenworte, über die sich die Damen ganz zu Unrecht entrüsteten.
SONG 9: IN WELCHE FALLE BIN ICH DA GERATEN?
Philippus:
In welche Falle bin ich da geraten verfallen einer Königin Das hat der Teufel mir geraten Gänzlich ich verloren bin Ihre Zofen, ihre Wachen werden Schwierigkeiten machen werden fordern edle Weine Taler, Perlen, Edelsteine Werden wenden meine Taschen ohne etwas zu erhaschen und sie führ´n mich armen Tor feixend ihrer Herrin vor Die wird fluchen, wird mich hassen ihren Wächtern überlassen die mich heimlich, still und leise schicken auf die letzte Reise In welche Falle bin ich da geraten verfallen einer Königin Das hat der Teufel mir geraten Gänzlich ich verloren bin
10. BILD - Haus Imperia
1. Zofe:
Madame, da gibt es eine unliebsame Sache.
Imperia:
Verschwinde!
1. Zofe:
Ich würde nicht stören, wenn es nicht dringend wäre.
Imperia:
(zu Philippus) In meiner Welt steht alles still. Du bist der Einzige, den ich will.
1. Zofe:
Es ist der Erzbischof von Chur!
Imperia:
Er soll sich zum Teufel scheren!
1. Zofe:
Er hat den Kerzenschein durch die Vorhänge scheinen sehen und macht jetzt draußen Krach!
Imperia:
So sage ihm, dass ich fiebere. Bei allem was mir heilig ist, ich lüge nicht. Ich bin krank nach diesem kleinen Pfaff, der sich in mein Herz geschlichen hat und noch unendlich weiter schleichen soll.
Wutschnaubend platzt der Bischof samt Teufel herein.
B. v. Chur:
Es eilt mich gar nicht so zum Teufel zu kommen, mein Mäuschen...
Teufel:
Wer´s glaubt wird selig...
B. v. Chur:
Es tut auch nicht Not, dass du mich schon vorher ein wenig zwicken lässt.
Imperia:
Euer Fettwanst wird mal ein prächtiges Futteral für einen Dolch abgeben.
B. v. Chur:
Und dieses Chorknäblein in deinem Schoß soll dazu wohl schon die Messe zelebrieren?
Philippus:
Monsignore, man hat mich rufen lassen, um Madame die Beichte abzunehmen.
SONG 12: DER EINE DARF, DER AND´RE NICHT
Bischof v. Chur:
Kennst du nicht, du wüster Flegel, die von Gott gegebene Regel: Nur der Bischof darf die Damen von Schuld befreien in Gottes Namen die Beichte hör´n aus ihrem Munde zu solch fortgeschrittener Stunde Sei es für dich noch so verdrießlich dieses Recht gilt ganz ausschließlich Es ist gemeißelt in den Stein von Gott und Kirche im Verein und hält stand jedem Gericht: DER EINE DARF, DER AND´RE NICHT Darum pack dich, sei zufrieden mit dem, was deinem Stand beschieden denn auf der Erde hier hernieden sind wir vor Gott gänzlich verschieden Halt dich mit der Beichte Wonnen an die klösterlichen Nonnen Sei deinem Herrn ein braver Jünger und lass von diesem Weib die Finger Es ist gemeißelt in den Stein von Gott und Kirche im Verein und hält stand jedem Gericht: DER EINE DARF, DER AND´RE NICHT Verschwinde also, wehe dir seh´ ich dich noch einmal hier denn sonst wirst du ungeniert von mir exkommuniziert!
Philippus erhebt sich.
Imperia:
(zornig) Hier geblieben! Bleib! Du bist hier zu Haus.
Philippus:
Bei meiner Seel´, sie liebt mich!
Teufel:
Dein Stecken fährt gleich in den Himmel hinauf.
Philippus:
Wer bin ich, dass ausgerechnet mich sie auserwählt?
Teufel:
(guckt auf seine Hose) Ein ziemlich lächerlicher Tor, wenn Du nicht vor aller Leut´ die Tür schließt.
Imperia:
Steht es nicht in den Evangelien, dass ihr vor Gott alle gleich sein sollt?
B. v. Chur:
Die Stelle ist eine Erfindung des Teufels, der die Bibel gefälscht hat.
Teufel:
Das wüsst´ ich aber!
Imperia:
So seid ihr auch gleich vor mir, die ich Eure Göttin bin. Und sollte Euch das nicht gefallen, könnte es leicht geschehen, dass ich Euch eines Tages zwischen Kopf und Schulter ein wenig würgen lasse. Das schwöre ich bei der Allmacht meiner Tonsur, die so viel wert ist wie die des Papstes. Setzt Euch und trinkt.
B. v. Chur:
Mit vollem Magen würgt es sich besser! Setzt Euch zu mir, und wir wetzen uns gegenseitig die Messer!
Imperia:
(zu Philippus) Bleib und rühr´ dich nicht.